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Bitcoin und die Energiewende – Ziemlich beste Freunde

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Mar 21, 2022 · 10 Minuten Lesezeit
Bitcoin und die Energiewende – Ziemlich beste Freunde
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Die Klimakrise ist momentan durch den Krieg in der Ukraine medial in den Hintergrund gerückt. Die beiden Themen haben aber eine gemeinsame Schnittmenge: Der Wille zur möglichst schnellen Energiewende. Man stelle sich vor jemand dreht den Gas- oder Ölhahn zu und niemanden in der EU interessiert es. Denn Europas Energieversorgung besteht schon zu 100% aus Erneuerbaren und die EU kann ohne Abhängigkeiten politisch frei agieren.

Manche sagen das sei gar nicht möglich. Die Modellierungsstudie der finnischen LUT University und Energy Watch Group simulierte eine vollständige Energiewende in Europa in den Bereichen Strom, Wärme, Verkehr und Entsalzung bis 2050 und ist die erste ihrer Art. Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100% erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem. Sie erfordert aber eine Massenelektrifizierung in allen Energiesektoren und Wind- und Solarenergie machen dabei 94% der gesamten Stromversorgung aus.

Die Ente

Das reflexartige Gegenargument dabei kennt man: Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, haben wir keinen Strom. Denn nur Atomkraft oder fossile Brennstoffe können diesen konstant anbieten. Aber die Nachfrageseite des Stromnetzes ist gar nicht konstant. Die Stromnachfrage schwankt zyklisch von Tag zu Tag, wobei sie während der Geschäftszeiten tagsüber ein Maximum erreicht und in der späten Nacht und am frühen Morgen auf ein Minimum sinkt. Angebot und Nachfrage, also die Erzeugung und der Bedarf des erzeugten Stroms, müssen möglichst deckungsgleich sein (Abb. 1).

Abb. 1: Schematische Lastenkurve eines Frühlingstages in Deutschland.

Der Strombedarf, der über die Grundlast hinausgeht, wird von Zwischen- und Spitzenlastkraftwerken gedeckt. Unter den erneuerbaren Energien gibt es Grundlasterzeuger, wie Wasserkraft, Erdwärme, Biomasse und Biogas. Wind- und Solaranlagen sind tages- und saisonabhängige Erzeuger. Die zeitliche Verteilung der Stromerzeugung von Erneuerbaren im Laufe eines Tages sieht typischerweise aus wie in Abb. 2 gezeigt.

Abb. 2: Energieerzeugung im Laufe des Tages mit 100% erneuerbaren Energien.

Wenn man die beiden Kurven aus Abb. 1 und 2 voneinander abzieht, entsteht ein Nachmittagstal, in der Zeit, in der die Solarstromerzeugung am höchsten ist. Auf das Tal folgt wiederum ein steiler Anstieg am Abend, wenn die Solarstromerzeugung abnimmt, aber die Menschen von der Arbeit und der Schule nach Hause kommen und die Last der Haushalte rasant ansteigt. Diese neue Lastform wird oft als “Entenkurve” bezeichnet. Die Ausprägung der Entenform im Laufe der Jahre zeigt den voranschreitenden Ausbau der Erneuerbaren (Abb. 3).

Abb. 3: Die elektrische Last des California Independent System Operator (ISO), das kalifornische Stromnetz, an einem durchschnittlichen Frühlingstag. Die Linien zeigen die Nettolast - die Stromnachfrage abzüglich des Angebots an erneuerbaren Energien.

Die ökonomische Batterie

Diese neue Form der Lastkurve erklärt das Phänomen, dass in Kalifornien regelmäßig zu beobachten ist. Dort fällt aufgrund des Erzeugungsüberschusses der Preis für eine kWh fast jeden Tag in den negativen Bereich. Diese Preisschwankung verdeutlichen die Problematik, die Stromerzeuger beim Verkauf ihrer Ware haben. Sie müssen ihren Angebotsüberschuss zum steilen Nachfrageanstieg am Abend transportieren, also zwischenspeichern. Dabei sind die Kosten für Speicherung ein entscheidender Faktor. Es muss hierbei sichergestellt sein, dass die Stromspeicherung für die jeweilige Menge durch die entsprechende Technologie (Batterien, Wasserstoffproduktion, Pumpspeicherkraftwerke, Blockturmspeicher etc.) nicht zu aufwendig und damit zu teuer ist.

Grüne Energieerzeuger müssen also zusätzlich zur Grundinvestition in Anlagen zur Energiespeicherung investieren, um ihre Energie zu einer Zeit verkaufen zu können, in der es eine hohe Nachfrage gibt und gewinnbringend ist. Da Wind- und Sonnenergieerzeuger keine flexiblen Lieferanten sind, brauchen sie entweder Energiespeicher oder flexible Abnehmer, die dafür bezahlen.

Wäre es nicht großartig, wenn es einen permanenten Käufer für überschüssige Energie gäbe, der überall auf der Welt den grünen Energieerzeugern ihre Einnahmen zusichern könnte? Es würde einen konstanten Einkommensstrom zusichern und Planungssicherheit erzeugen. Zudem wären Investitionen schneller amortisiert und das Henne-Ei-Problem fehlender Energieproduzenten und lokaler Abnehmer könnte abgefedert werden. Bitcoin Miner sind flexibel steuerbare Abnehmer, die man ohne Schaden schnell ein- und ausschalten und problemlos mit anderen Energiespeichertechnologien kombinieren kann. Der norwegischer Energierkonzern Aker hat es als erstes richtig erkannt: Bitcoin ist eine „lastausgleichende ökonomische Batterie“.

Durch die im Durchschnitt konstante Einnahmequelle aus dem Reward der gefundenen Blöcke kann Bitcoin Mining aber nur mit günstigem Strom gewinnbringend sein. Strom der teurer ist als ca. 5 cent pro kWh ist nicht mehr rentabel. Damit ist der meiste europäische Strom mit 10-15 cent pro kWh für Miner nicht interessant.

Überproduzierter Strom, den niemand nutzen kann, findet in Bitcoin Minern einen Käufer. Der Strom, der beim Mining verbraucht wird, hat vorher einfach keinen Abnehmer gefunden, der höhere Preise zahlen wollte. Somit ist die reflexartige Aussage mancher Politiker oder Journalisten ‘Bitcoin verbrauche unsere kostbare grüne Energie’ falsch. Denn Bitcoin Miner sind wählerische Sparfüchse, die den durchschnittlichen europäischen Strompreis scheuen.

Ein Subventionsmechanismus

Interessanterweise liegt der Kaufpreis des deutschen Staates für überproduzierten grünen Strom per EEG-Einspeisevergütung knapp über dem von Bitcoin: 5-8 cent/kWh. Die dabei entstehenden Kosten des Kaufes über Marktwert teilen wir als Gesellschaft.

Bitcoin Mining ermöglicht ortsunabhängige und verlässliche finanzielle Unterstützung in Form einer elektrischen Grundlast, die staatlich EEG-Einspeisevergütung potenziell ersetzen könnte. Der Staat könnte sich zudem einen Berg an Bürokratie sparen.

Es existieren bereits Anbieter von modularen Bitcoin-Mining-Einheiten (z.B. Blockstream Energy) die in Solar- oder Windenergie Energieprojekten eingesetzt werden können, um eine skalierbare Grundlast sicherzustellen.

Abb. 4: Eine modularen Bitcoin-Mining-Einheit von Blockstream.

Die Produktion neuer Bitcoin Mining Hardware könnte dabei ein Teil der Arbeitsplätze ausmachen, die für die Energiewende versprochen wurde. Neuere Generationen des energieeffizienten ASIC Chips „Bonanza“ von Intel werden vielleicht in ein paar Jahren an dem neuen Standort nahe Magdeburg hergestellt.

Grünes Mining verdrängt dreckiges Mining

Wenn Miner ihren Platz in der europäischen Energiewende finden, würde auch Bitcoin davon profitieren. Wenn wir grünes Mining betreiben, werden wir damit den Anteil der erneuerbaren Energien (58% , Stand: Dezember 2021) schneller erhöhen. Und das nicht nur, weil wir den Durchschnitt damit verbessern, sondern weil wir damit die dreckigen Miner aus dem Markt drängen. Denn die Menge an Bitcoin, die innerhalb einer Halving Periode im Netzwerk durch Mining erzeugt wird, ist durch die Schwierigkeitsanpassung immer konstant. Man kann also durch einen erhöhten Energieeinsatz im Netzwerk nicht mehr Bitcoin erzeugen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal von Bitcoin gegenüber allen anderen Rohstoffen dieser Welt; auch Gold. Die einzelnen Miner bzw. Miningpools stehen immer in Konkurrenz zueinander, wer den nächsten Block und dessen Reward findet.

Grünes Mining in der EU würde also nicht zusätzlich on Top zum fossilen Brennstoff Mining stattfinden, sondern aufgrund der höheren Gesamt-Hashrate und Schwierigkeitsanpassung im Bitcoin Protokoll, die weniger rentablen fossilen Miner verdrängen und die CO2-Emissionen des Bitcoin Netzwerks verringern. Das alte Argument warum sollen wir CO2 einsparen, wenn doch alle anderen so viel mehr erzeugen zieht hier also nicht.

…Aber wenn fossiles Mining unrentabel ist, warum existiert es dann noch?

Je günstiger die Energie, desto größer die Marge. In Ländern mit sehr günstigem Öl und Gas ist demzufolge auch Mining profitabel.

Das an der Nasdaq notierte chinesische Unternehmen Canaan, einer der branchenweit größten Hersteller von Bitcoin Minern, hat sich Mitte 2021 entschlossen eine Betriebsstätte mit 10000 Minern in Kasachstan einzurichten. Nach dem Mining Ban in China fanden viele Bitcoin Miner Zuflucht in Kasachstan, wo sie bei minimaler externer Intervention der Regierung und extrem günstiger Energie betrieben werden konnten. Laut Bericht des kasachischen Energieministeriums ist der Strombedarf des Landes im Jahr 2021 um 8% gestiegen, was zu ständigen Stromausfällen in der Region führte.

Die Reaktion: Die Finanzaufsichtsbehörde stoppte 51 Mining Farmen. Weitere 55 haben aufgrund des Drucks der Aufsichtsbehörde ihren Betrieb freiwillig eingestellt. Nach der Beschlagnahmung sagte der staatliche Netzbetreiber, der Stromverbrauch des Landes sei um 600 MWh zurückgegangen. Das entspräche ungefähr der Energieerzeugung eines halben Atomkraftwerks.

Bitcoin und Kohle - Falsche Freunde

Die Energie in Kasachstan wird allerdings nicht aus Atomkraft, sondern zu über 97% aus Kohle, Gas und Öl erzeugt. Die kWh kostet dort durchschnittlich 3,9 cent. Das ist aber nicht der reale Marktpreis. Die Energie in Kasachstan ist staatlich subventioniert und insbesondere die Tarife für Privatverbraucher werden nicht von den Märkten bestimmt.

Wenn Energieträger stark subventioniert sind, verzerrt das den Markt und es entstehen aberwitzige Preise, wie z.B. in Libyen. Dort gibt es mit durchschnittlich 0,7 cent/kWh den günstigsten Strom der Welt. Zum Vergleich: Einen Tesla voll zu tanken würde dort 70 cent kosten; in Deutschland 40 Euro.

Subventionen für fossile Brennstoffe sind leider ein weltweites Phänomen. 2020 beliefen sich diese weltweit auf 5,9 Billionen Dollar (ca. 6,8% des BIP). Laut einer Studie des IMF könnte eine effizientere Preisgestaltung für Kraftstoffe die globalen Kohlendioxidemissionen um 36% senken.

Auch in Deutschland ist das Subventionieren fossiler Energieträger gute Tradition. Laut dem IWF subventioniert Deutschland fossile Energie immer noch mit 70 Milliarden Euro pro Jahr (1,9% des BIP). Allein der Preis für Kohle müsste in Deutschland eigentlich viermal höher sein, als er derzeit ist. Sind die fossilen Energien subventioniert günstig, kann sich Mining damit wieder lohnen.

Letztes Jahr hat der Senator des US-Bundesstaat Kentucky, Brandon Smith, ein Gesetz erlassen, das Bitcoin-Minen Millionen an Steuervergünstigungen einräumt. Ein paar Monate später gründete er sein eigenes Mining-Unternehmen. Das Anreizpaket befreite Bitcoin Firmen von der Umsatzsteuer auf Ausrüstung und von Steuern auf Energierechnungen. Laut den Daten des Mining-Pools Foundry ist Kentucky die Nummer 2 unter den Bitcoin-Mining-Standorten in den USA und gleichzeitig ein Staat mit einem sehr Kohle-lastigen Stromnetz. Die Deindustrialisierung und der Niedergang des Kohlebergbaus ließen die Energieinfrastruktur mit hoher Lastkapazität einfach liegen. Bitcoin wird von diesen Minern als Chance gesehen ihre Kohle verzweifelt am Leben zu halten. Die zusätzlichen Subventionen des Staates halten sie im Rennen.

Es scheint so, als wäre dreckiges Bitcoin Mining ein Indikator, der anzeigt an welchen Orten der Welt Subventionen den Energiemarkt zu Gunsten der fossilen Energieträger verzerren. Don’t shoot the messenger.

Ein Appell

Bitcoins Proof-of-Work (PoW) CO2-Fußabdruck ist mit momentan 0,08% eine Randnotiz der globalen CO2 Emissionen und wird durch den Ausbau grüner Energiequellen, die Bitcoin selbst zu subventionieren hilft, beständig weiter bis auf 0% sinken.

PoW Mining in der EU zu verbieten würde fossiles Mining weltweit länger rentabel halten und wäre letztendlich ein Verbot eines unbürokratischen Subventionsmechanismus für eine beschleunigte Energiewende. Soziale und nachhaltige Energiepolitik sollte:

  1. Subventionen für fossile Energieträger stoppen
  2. Eine sinnvolle Regulierung und kein Verbot von Mining Unternehmen vorantreiben
Weezel
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Naturwissenschaftler, Wasser- und Umweltschutzaktivist